Die HES-SO integriert künstliche Intelligenz (KI) in ihren Bildungsauftrag und verfolgt dabei einen ethischen und transparenten Ansatz, der auf zwölf Leitprinzipien basiert. Das Ziel besteht darin, das Verständnis und den Einsatz von KI im Lehr- und Lernprozess zu verbessern, indem Studierende und Lehrende gezielt angesprochen werden.
Im folgenden Video erläutert René Graf, Vizerektor Lehre der HES-SO, die Integration der künstlichen Intelligenz in die strategischen Schwerpunkte der HES-SO für den Zeitraum 2025–2028 und die Positionierung der Institution in Bezug auf KI in Lehre und Unterricht. Ebenso äussert er sich zu den von KI betroffenen Parteien an der HES-SO und dazu, wie Bildungseinrichtungen ihren Ansatz anpassen können, um neue Technologien auf wirksame Weise in ihre Arbeit einzubeziehen. Thematisiert wird auch, wie die HES-SO die involvierten Akteurinnen und Akteure vernetzt, um im Bereich der KI Fortschritte zu erzielen.
Drei Ebenen und zwölf Leitprinzipien zum Thema KI an den Hochschulen
Die HES-SO integriert KI auf der Grundlage der zentralen Werte Ethik, Zugänglichkeit, Fairness und Transparenz. Durch einen Ansatz, der Hybridisierung, Reflexivität und konstruktive Verknüpfung der Lernziele (constructive alignement) miteinander verbindet, gewährleistet die Institution einen Einsatz von KI, der an die Bedürfnisse der Studierenden und der Lehrenden angepasst ist und zugleich den Schutz und die Integrität der Daten garantiert. Dieser zukunftsorientierte Ansatz stellt eine kontinuierliche Abstimmung zwischen KI-Tools und Ausbildungszielen sicher und stärkt so die Verantwortung und Innovation in der Lehre und im Lernen.

Die Studierenden und das Personal der HES-SO sind sensibilisiert für die kognitiven Verzerrungen (Biases), Risiken und ethischen Fragen, die mit dem Einsatz von KI auf zivilisatorischer Ebene verbunden sind. Sie sind sich der potenziellen Auswirkungen auf das Zusammenleben, die Demokratie, die Umwelt, die Geopolitik, die sozialen Ungleichheiten, die Diskriminierung, die digitale Souveränität, die Cyberkriminalität usw. bewusst.
Die Studierenden werden aufgefordert, ihre Nutzung von KI vor dem Hintergrund dieser ethischen Herausforderungen zu reflektieren und die Regeln betreffend Ethik, Verantwortung und Integrität, die für ihre akademischen Aktivitäten gelten, in diese Überlegungen einzubeziehen. Wenn ihre Hochschule vorsieht, dass sie zu Beginn ihres Studiums eine Charta der akademischen Integrität unterzeichnen, sind diese Fragen zur KI darin enthalten.
Beispiele für Ressourcen:
- KI-Roadmap der Universität Laval (CA) (nur auf Französisch)
Die HES-SO gewährleistet den Zugang zu Werkzeugen, Informationen, Schulungen und Reflexionen über den Einsatz von KI in der Lehre für Lehrkräfte, Verwaltungs- und technisches Personal sowie Studierende.
Sie stellt sicher, dass die Tools mit den Standards der Institution kompatibel sind (insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz) und dass das digitale Ökosystem kohärent ist.
Konkrete Beispiele:
- DevPro-Schulungen zu KI oder zur Nutzung von Chatbots
- Übernahme des in die Microsoft-365-Lizenz der HES-SO integrierten Tools CoPilot
Über die Zugänglichkeit hinaus werden Massnahmen ergriffen, um die mit dem Einsatz von KI-Technologien verbundenen (materiellen, finanziellen und organisatorischen) Barrieren abzubauen und den Studierenden unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen faire Zugangsmöglichkeiten zu bieten.
Wenn der gleichberechtigte Zugang zu äquivalenten Tools unter den Studierenden nicht gewährleistet werden kann, werden pädagogische und logistische Alternativen entwickelt, um die Unterschiede zu vermindern.
Praxisbeispiele:
- Prüfung in einem Computerraum, der mit identischen Maschinen ausgestattet ist
- Systeme wie Safe Exam Browser oder Proctoring
Die HES-SO organisiert die Beobachtung der KI und ihrer Erscheinungsformen, Fragestellungen und Risiken auf allen Ebenen und für alle in der Institution vertretenen Berufsfelder (bezogen auf Personal und Studiengänge), um sich kontinuierlich mit den Herausforderungen, Risiken und Chancen des Einsatzes dieser Technologie auseinanderzusetzen und diese zu hinterfragen.
Vor dem Hintergrund der technologischen Beschleunigung wird diese Reflexivität durch offene und agile Erforschungs- und Experimentierverfahren unterstützt. Diese sollen die durch künstliche Intelligenz ausgelöste und geförderte Innovationsfähigkeit sicherstellen, ohne aber die Risiken und Herausforderungen aus den Augen zu verlieren, die mit dem Einsatz ihrer diversen bereits bestehenden und zukünftigen Formen verbunden sind.
Beispiele für Massnahmen:
- Webseite zur KI in der Lehre der HES-SO
- Projektaufrufe der KI-Steuerungsgruppe (CCN) (nur auf Französisch)
Der Studiengang stellt in Partnerschaft mit der Berufswelt prospektive Überlegungen darüber an, wie sich die Berufe, in denen er Studierende ausbildet, unter dem Einfluss der KI entwickeln werden. Er überarbeitet sein Referenzsystem der Kompetenzen entsprechend und leitet daraus die Entwicklungen ab, die in seinem Ausbildungsprogramm umgesetzt werden müssen.
Der Studiengang versucht parallel dazu, zu identifizieren, welche Art von KI-Tools für diese zukünftigen Berufe relevant sind, und eine Liste der damit verbundenen Herausforderungen zu erstellen. Er integriert Unterrichtsinhalte oder Aktivitäten in seinen Lehrplan, die das Bewusstsein für diese Tools und Herausforderungen schärfen.
Beispiele für Studiengänge:
- Wirtschaftsinformatik (nur auf Französisch)
- Medizinische Radiologie-Technik (MRT) (nur auf Französisch)
- KI in der Design-Ausbildung: Beispiel HEAD (nur auf Französisch)
Die Studierenden werden ermutigt, sich mit KI-Tools auseinanderzusetzen und sie als Partner in ihrem Lernprozess zu betrachten. Der Studiengang achtet aber darauf, diese Ansätze mit traditionellen Aktivitäten zu kombinieren und in der Lehre die menschlichen Beziehungen stets über den Einsatz von KI zu stellen. Dabei ist jederzeit ein hohes Mass an pädagogischer Kohärenz zu gewährleisten.
Der Studiengang bietet nicht nur einen Unterricht «über KI» (Prinzipien und Werkzeuge), sondern auch «zur KI» (Herausforderungen und Risiken) an. Er stellt sicher, dass die Studierenden sowohl KI-bezogene Kompetenzen als auch einzigartige menschliche Kompetenzen (Munn, 2023) und von der KI unabhängige Kompetenzen erwerben. Dazu gehören auch solche, dank denen die Studierenden die Erzeugnisse generativer KI kritisch begutachten können.
Beispiele für Ressourcen:
- Taxonomie von Bloom, Anderson und Krathwohl & Munn (Munn, 2023) (nur auf Französisch)
- Referenzrahmen für die digitale Kompetenz der HES-SO
Da der Einsatz von KI im Unterricht sowohl die Lernziele als auch die Lehr- und Evaluationsmodalitäten beeinflusst (und in gewisser Weise «verzerrt»), achtet der Studiengang auf allen Ebenen seines Lehrplans auf die Anwendung des Prinzips der konstruktiven Verknüpfung der Lernziele (constructive alignement oder «innere Kohärenz»).
Um den Lehrplan «KI-resilient» zu machen, verstärkt er den kompetenzorientierten Ansatz und betrachtet KI als eine Ressource im Dienste der Kompetenzen. Evaluiert wird nur die Authentizität der professionellen Leistungen der Studierenden und nicht ihre Fähigkeit, ein KI-Tool dazu einzusetzen, um im Rahmen der Evaluationen Antworten zu generieren.
Beispiele für Ressourcen:
- Der kompetenzorientierte Ansatz – Webseite und Merkblätter (nur auf Französisch)
Der Umfang und die Modalitäten des Einsatzes von KI in den Lehr- und Evaluationsaktivitäten werden entsprechend den angestrebten Lernzielen mit oder ohne Einsatz von KI definiert. Für Evaluationen können KI-Tools eingesetzt werden, die für das Berufsfeld des Studiengangs relevant sind. Sie sind aber so gestaltet, dass die fachlichen und beruflichen Kompetenzen der Studierenden klar von deren Fähigkeiten zur Nutzung von KI unterschieden werden.
Der Studiengang ermutigt das Lehrpersonal, die Evaluationskriterien flexibler zu gestalten und sie unter Berücksichtigung der Rolle anzupassen, die die KI im Prozess zur Erbringung von Lernnachweisen durch die Studierenden gespielt haben könnte. In gewissen Fällen ermöglicht es eine kontinuierliche Überwachung der Arbeit der Studierenden, dass KI im Laufe des Lernprozesses angemessen eingesetzt wird und die Evaluationskriterien verfeinert und angepasst werden.
Beispiele für Ressourcen:
- Generative KI in der Lehre (nur auf Französisch) – Ein reflexiver Leitfaden für den transparenten Einsatz von generativer KI in der Lehre
- An Ethical Framework for Exams and Continuous Assessment with AI (Thomas Steiner, 2023) (nur auf Englisch)
Die Modulbeschreibungen verweisen so explizit wie möglich auf den Einsatz von KI in Lern- und/oder Lehrveranstaltungen, auf die Ziele dieses Einsatzes sowie auf die Auswirkungen auf die Organisation des Unterrichts und die Evaluationen. Die Modalitäten, gemäss denen KI in einer Evaluation eingesetzt werden könnte, werden den Studierenden zu Beginn des Kurses mitgeteilt und mit ihnen besprochen. In gewissen Fällen werden diese Modalitäten gemeinsam mit ihnen festgelegt.
Der Spielraum, den die Studierenden bei der Verwendung von KI-Tools bei einer Prüfung haben, wird von der Dozentin oder vom Dozenten je nach den zu entwickelnden Fähigkeiten, der Art des Lernens und der zu bewertenden Taxonomiestufe festgelegt (Munn, 2023). Insbesondere in den Leitfäden und Anweisungen für Bachelor-/Masterarbeiten wird definiert, wie KI von den Studierenden eingesetzt werden kann, und werden Anregungen für einen sinnvollen Einsatz dieser Tools formuliert.
Beispiele für Ressourcen:
- Generative KI in der Lehre (nur auf Französisch) – Ein reflexiver Leitfaden für den transparenten Einsatz von generativer KI in der Lehre
Bei pädagogischen oder evaluativen Aktivitäten, die den Einsatz einer KI erlauben, werden die Regeln, gemäss denen die Studierenden die Verwendung der zulässigen Tools erwähnen müssen, zu Beginn des Kurses und idealerweise in der Modulbeschreibung festgelegt.
Bei Nichteinhaltung der Zitierregeln oder unerlaubter Verwendung von KI-Tools bei Prüfungen können Sanktionen verhängt werden. Diese werden den Studierenden im Voraus mitgeteilt.
Beispiele für Ressourcen:
- Generative KI in der Lehre (nur auf Französisch) – Ein reflexiver Leitfaden für den transparenten Einsatz von generativer KI in der Lehre
Bei der Verwendung einer KI im Rahmen des Unterrichts oder der Evaluation werden Studierende und Lehrende für die Einhaltung der Normen zum Schutz personenbezogener und sensibler Daten sowie gegebenenfalls für die Regeln des geistigen und gewerblichen Eigentums sensibilisiert. Es ist allen untersagt, personenbezogene Daten auf den Remote-Server eines digitalen Unternehmens zu übertragen, für das die HES-SO keine Sicherheitsgarantie erhalten hat (medizinische Patientendaten, Noten von Studierenden, Adressdateien usw.).
Die Studierenden und Lehrenden werden zu ihrem eigenen Schutz auf die Risiken im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI aufmerksam gemacht, deren Antworten überzeugend klingen, aber dennoch falsch sein können. Die Nutzung solcher Tools kann folglich je nach Kontext mehr oder weniger gravierende Konsequenzen haben.
Beispiele für Ressourcen:
- Tiulkanov-Diagramm (Sabzalieva & Valentini, 2023) (nur auf Englisch)
Die Studierenden werden für die individuelle und akademische Verantwortung sensibilisiert, die sie bei der Nutzung von KI übernehmen. Jede Produktion, die mithilfe einer generativen KI erzeugt wird, bleibt in der Verantwortung der Nutzerin oder des Nutzers, die oder der sowohl ihren Wahrheitsgehalt als auch ihre Übereinstimmung mit den Regeln der Ethik und des geistigen Eigentums überprüfen muss (Aebi-Müller et al. 2021).
Das Bewusstsein für die Abhängigkeit von generativer KI wird mit den Studierenden ebenfalls thematisiert, um sicherzustellen, dass die Nutzerinnen und Nutzer generativer KI die Kontrolle über ihre Beziehung zu dieser Technologie bewahren.
Beispiele für Ressourcen:
- Generative KI in der Lehre (nur auf Französisch) – Ein reflexiver Leitfaden für den transparenten Einsatz von generativer KI in der Lehre