Die HES-SO veröffentlicht die Ergebnisse einer Umfrage über sexuelle und sexistische Belästigung und verstärkt ihre Massnahmen zur Prävention und Bekämpfung dieser Problematik

Die HES-SO, die mit rund 21'000 Studierenden die grösste Fachhochschule der Schweiz ist, hat die Prävention und Bekämpfung von sexueller und sexistischer Belästigung zu einer Priorität erklärt. Vor diesem Hintergrund hatte sie entschieden, eine breit angelegte Umfrage in ihrer Gemeinschaft durchzuführen, um das Ausmass der sexuellen und sexistischen Belästigung innerhalb der Institution besser erfassen und die Wirksamkeit der bestehenden Massnahmen beurteilen zu können.
Das Institut MIS Trend führte deshalb im Auftrag der HES-SO eine Umfrage unter der gesamten Studierendenschaft (Bachelor, Master und Weiterbildungen) und den festangestellten und temporären Mitarbeitenden durch, womit also rund 42'000 Personen kontaktiert wurden. Im Fokus standen dabei Situationen, in denen die befragten Personen selbst Opfer von sexueller und sexistischer Belästigung wurden – von abwertenden oder sexistischen Bemerkungen bis hin zu versuchter oder tatsächlicher Vergewaltigung – oder solche Vorfälle beobachtet haben. Die Befragten wurden zudem gebeten, anzugeben, ob diese Belästigungen in den letzten 12 Monaten oder zuvor (ohne zeitliche Begrenzung) stattgefunden hatten. Diese Fragen ermöglichten es auch, abzuklären, in welchem Kontext sich die Belästigungen ereignet hatten, und die Bekanntheit und Wirksamkeit der bestehenden Mechanismen zur Bekämpfung und Prävention von sexueller und sexistischer Belästigung innerhalb der Hochschulen zu beurteilen.
Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen, dass die HES-SO ebenso wie die Gesellschaft als Ganzes vom Problem der sexuellen und sexistischen Belästigung betroffen ist:1
- Etwas mehr als ein Viertel der gesamten Gemeinschaft der HES-SO hat sich in den letzten 12 Monaten durch abwertende und sexistische Bemerkungen belästigt gefühlt.
- Knapp 4 % aller Befragten, die die Umfrage beantwortet haben, waren in den letzten 12 Monaten oder davor Opfer schwerster Belästigung (Berührungen, Anbieten von Vorteilen gegen sexuelle Gefälligkeiten, Revenge Porn, Vergewaltigung und versuchte Vergewaltigung). Zwei Drittel dieser Fälle – insbesondere Vergewaltigung und versuchte Vergewaltigung – fanden ausserhalb der Mauern der HES-SO statt, häufig in einem privaten Rahmen.
- Studentinnen sind am stärksten mit belästigendem Verhalten konfrontiert. 58 % von ihnen waren in den letzten 12 Monaten oder zuvor Ziel von mindestens einer der im Fragebogen aufgelisteten Belästigungen. Bei den Studenten lag die Quote bei 36 % und bei den Mitarbeiterinnen bei 39 %. Mitarbeiter sind mit einer Quote von 27 % seltener Ziel sexueller oder sexistischer Belästigung.
- Die meisten Fälle ereignen sich zwischen Personen, die derselben Kategorie angehören, d. h. zwischen Studierenden oder zwischen Mitarbeitenden. So ist beispielsweise bei den Studierenden in 68 % der Fälle ein Mitstudent oder eine Mitstudentin für die sexuelle und sexistische Belästigung verantwortlich.
- 24 % der Männer gaben an, sie hätten sich in den letzten 12 Monaten oder davor durch sexistische Witze oder Bemerkungen belästigt gefühlt.
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen auch, dass die an den Hochschulen eingesetzten Mechanismen zur Prävention und Bekämpfung von sexueller und sexistischer Belästigung noch nicht ausreichend bekannt sind. Nur 29 % der Befragten, die die Umfrage beantwortet haben, gaben an, sie zu kennen, bei den Studentinnen waren es gar nur 16 %. Diejenigen, die diese Mechanismen in Anspruch genommen haben, fühlten sich ernst genommen und waren der Ansicht, dass ihr Fall mit der nötigen Vertraulichkeit behandelt wurde. Es müssen aber noch weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Wirksamkeit der Mechanismen und die weitere Betreuung und Unterstützung zu verbessern.
1: Die von MIS Trend bereitgestellten Analysen wurden anonymisiert und lassen keine Rückschlüsse auf die betroffenen Personen zu. Mit einer Rücklaufquote von annähernd 15 % (also fast 6300 Personen) weisen die Ergebnisse eine globale Fehlerquote von 1,1 % auf und sind zuverlässig für die gesamte HES-SO.
Für eine noch bessere Prävention und Bekämpfung sexueller und sexistischer Belästigung
Die HES-SO nimmt die Ergebnisse dieser Umfrage zur Kenntnis und stellt fest, dass auch sie wie die gesamte Gesellschaft von dieser Geissel betroffen ist. Die HES-SO ist weiterhin fest entschlossen, sexuelle und sexistische Belästigung zu bekämpfen und alles zu tun, um sie zu verhindern. Sie ist sich aber auch bewusst, dass noch ein langer Weg zurückgelegt werden muss, bis das Schweigen gebrochen ist, Fälle konsequent ans Licht gebracht werden und sich Verhaltensweisen ändern. Die HES-SO wird deshalb gemeinsam mit ihren Hochschulen die Umsetzung ihrer Rahmenrichtlinie zur Prävention und zum Umgang mit sexueller und sexistischer Belästigung vorantreiben und die Ergebnisse dieser Umfrage nutzen, um ihre Massnahmen zu verstärken und noch gezielter auszurichten:
- Die HES-SO leitet spezifische Massnahmen für Studierende ein, die gemäss den Ergebnissen der Umfrage die primären Opfer sexueller und sexistischer Belästigung sind. Systematische Präventions- und Sensibilisierungsmassnahmen, eine Erinnerung an die Nulltoleranz-Politik der Institution gegenüber solchen Verhaltensweisen sowie eine verstärkte Information über die Mechanismen und Einrichtungen, in denen Vorfälle gemeldet werden können und Betroffenen zugehört wird, werden zu Beginn jedes neuen Semesters durchgeführt.
- Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit der Fédération des associations étudiantes, dem Dachverband der Studierendenverbände der HES-SO, werden deren Mitglieder in der Prävention und Bekämpfung von sexueller und sexistischer Belästigung geschult, damit die Verbände für Studierende als Ansprechstelle dienen und sie unterstützen können.
- Die Anzahl der Schulungen zum Thema sexuelle und sexistische Belästigung, die sich an das Personal der Hochschulen richten, wird im Katalog des Zentrums für berufliche Weiterbildung der HES-SO (DEVPRO) erhöht. Die Hochschulen werden dafür sorgen, dass sich ihr Personal verstärkt daran beteiligt.
- Die HES-SO wird innerhalb ihrer Gemeinschaft den normativen Rahmen – zivilrechtlich, strafrechtlich, akademisch – und die Handlungsmöglichkeiten der Hochschulen in Bezug auf den Umgang mit Belästigungen und deren Sanktionierung stärker hervorheben.
Diese Arbeiten werden sofort aufgenommen. Die Massnahmen werden bis zum Beginn des Studienjahres 2025 schrittweise eingeführt und danach systematisch umgesetzt. Um die Entwicklung dieser Problematik und die Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen messen zu können, wird die Umfrage im Jahr 2027 erneut durchgeführt.
Luciana Vaccaro, Rektorin der HES-SO: «Sexuelle und sexistische Belästigung betrifft alle und es braucht zwingend eine starke kollektive Antwort, um diese Geissel zu bekämpfen. Die HES-SO nimmt ihre Verantwortung wahr und wir werden unser Engagement ausgehend von den Ergebnissen der Umfrage fortsetzen und unsere Präventions- und Bekämpfungsmassnahmen weiter verstärken. Wir wollen auf allen Ebenen der Institution rasch handeln, um sicherzustellen, dass alle Menschen, die hier studieren und arbeiten, respektiert werden. Die Umfrage hat deutlich gemacht, dass noch viel zu tun bleibt, um dieses Phänomen nicht nur an der HES-SO, sondern auch innerhalb der Gesellschaft zu bekämpfen. Denn unsere Hochschule, die eine breite Vielfalt von Tätigkeiten und sozio-professionellen Hintergründen abdeckt, ist ein Spiegel eben dieser Gesellschaft und wir müssen mit all ihren Teilen zusammenarbeiten, damit solche Verhaltensweisen, die die menschlichen Beziehungen vergiften, ausgemerzt werden können.»
Die HES-SO stellt sich entschlossen und kompromisslos gegen jede Form von sexueller und sexistischer Belästigung
Die HES-SO verurteilt sexuelle und sexistische Belästigung aufs Schärfste. Bei Belästigung gilt Nulltoleranz. Sie ermutigt Personen, die Opfer von sexueller und sexistischer Belästigung geworden sind oder solche inakzeptablen Vorfälle beobachtet haben, sich bei den von den Hochschulen benannten Kontaktpersonen zu melden. Die HES-SO setzt sich als Ganzes dafür ein, dass die Stimme der Betroffenen gehört und respektiert wird und dass sie die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.
Die HES-SO achtet zudem auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Gesundheit und die persönliche Integrität der Mitarbeitenden der Institution schützen, d. h. des Arbeitsgesetzes, des Obligationenrechts, des Strafgesetzbuchs und des Gleichstellungsgesetzes. Studierende sind nur durch das Strafgesetz und nicht durch das Arbeitsgesetz vor Belästigung geschützt. Die HES-SO bemüht sich deshalb besonders darum, Vorkehrungen zu treffen, die den spezifischen Bedürfnissen von Personen im Studium entsprechen.