Im Jahr 2024 gab das Rektorat der HES-SO eine Umfrage in einem noch nie dagewesenen Umfang in Auftrag, um mehr über das tatsächliche Ausmass der sexuellen und sexistischen Belästigung innerhalb der Institution zu erfahren. Fast 42'000 Personen – Studierende, Mitarbeitende und Lehrbeauftragte – wurden gebeten, einen Fragebogen auszufüllen.
Die Ergebnisse waren unmissverständlich. Wie der Rest der Gesellschaft bleibt auch die HES-SO nicht von diesem Übel verschont: Über ein Viertel der Befragten wurde in den zwölf Monaten vor der Studie Ziel sexistischer Äusserungen. Auch schwerwiegendere Fälle wurden genannt, bis hin zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen. Diese Tatsachen sind inakzeptabel.
Angesichts dieser Realität ist die Haltung des Rektorats der HES-SO absolut klar: Null Toleranz. Keine sexuelle oder sexistische Belästigung, kein unangemessenes Verhalten wird bagatellisiert, entschuldigt oder ignoriert. Wir alle haben das Recht, in einem respektvollen und sicheren Umfeld zu studieren, zu arbeiten und uns zu entfalten.
Konkrete Massnahmen
Unser Engagement beschränkt sich nicht nur auf eine Stellungnahme. Ab dem Studienjahr 2025/2026 wird die HES-SO eine Reihe konkreter Massnahmen auf allen Ebenen der Institution und in jeder Hochschule umsetzen:
- Auf der Webseite des Rektorats und in jeder Hochschule sind klare und ausführliche Informationen darüber verfügbar, an wen man sich bei Bedarf wenden kann.
- Ein verstärktes Schulungsangebot für alle Personen, die mit Opfern, Zielpersonen, Zeuginnen und Zeugen oder Täterinnen und Tätern von Belästigungen in Kontakt kommen können.
- Eine enge Zusammenarbeit mit den Studierendenverbänden, um die Bedürfnisse der Studierenden zu ermitteln, Präventionsbotschaften zu verbreiten, problematische Situationen zu erkennen und die betroffenen Personen zu unterstützen.
- Eine Sensibilisierungskampagne zu Beginn des Herbstsemesters, um die Grundsätze, Erwartungen und bestehenden Massnahmen innerhalb der HES-SO und der Hochschulen in Erinnerung zu rufen.
- Sensibilisierungskampagnen in sozialen Netzwerken, in den Gebäuden der Hochschulen oder in Form von partizipativen Veranstaltungen, um alle Studierenden zu erreichen, insbesondere diejenigen, die ihr Studium eben erst aufnehmen.
Zum Reden ermutigen, zuhören, begleiten, handeln
Ich möchte daran erinnern, dass jede Hochschule der HES-SO über ein eigenes System zum Umgang mit sexueller und sexistischer Belästigung verfügt, das allen betroffenen Personen – seien es Studierende oder Mitarbeitende – zur Verfügung steht. Die betreffenden Stellen und Ansprechpersonen sind da, um Ihnen zuzuhören, Sie zu begleiten und Ihnen mit Wohlwollen und Kompetenz zur Seite zu stehen.
Es ist nie einfach, über solche belastenden Erlebnisse zu sprechen. Die Angst, nicht ernst genommen zu werden, Sorgen hinsichtlich der Folgen oder auch Zweifel an den eigenen Erfahrungen sind häufige und legitime Gefühle. Es braucht Mut, über Belästigung zu sprechen. Deshalb verpflichten sich die Hochschulen, jede Äusserung ernst zu nehmen, jedes Anliegen zu respektieren und Unterstützung in einem sicheren und schützenden Rahmen anzubieten.
Alle Schritte werden diskret und unter Wahrung der Anonymität und der Sicherheit der betroffenen Personen unternommen. Diese Zurückhaltung ist notwendig, kann aber manchmal den Eindruck erwecken, dass nichts unternommen wird. Aber jede Beschwerde oder Meldung wird weiterverfolgt und kann zu konkreten Massnahmen führen.
Eine kollektive Verantwortung
Der Kampf gegen sexuelle Belästigung erfordert ein gemeinsames Engagement. Das Problem betrifft uns alle, auf allen Ebenen und nicht nur als Opfer oder Behörde. Zeugnis ablegen, eingreifen, Informationen weiterleiten, aufmerksam sein, bestimmte Verhaltensweisen oder Gewohnheiten hinterfragen: Jeder und jede kann etwas tun. Einfache Handlungen, richtige Worte und ehrliche Anteilnahme ermöglichen es uns, gemeinsam Fortschritte zu erzielen und ein sichereres Studien- und Arbeitsumfeld für alle zu schaffen.
Wir werden weiter voranschreiten, uns selbst hinterfragen und unsere Systeme verbessern. Im Jahr 2027 wird eine neue Umfrage durchgeführt, um die Auswirkungen der getroffenen Massnahmen zu evaluieren. Diese Arbeit wird Zeit brauchen, aber sie ist notwendig. Gemeinsam können wir eine noch sicherere, respektvollere und gerechtere HES-SO schaffen.
Das ist unsere Verantwortung. Und dafür setzen wir uns ein.
Luciana Vaccaro
Rektorin der HES-SO